Vielerorts sieht man sie noch, die nach alter Tradition mit Walzen erstellten Wandmuster. Ein heute seltenes Handwerk, das einst zum Repertoire jedes Malermeisters gehörte und ein Stück Kulturgeschichte in sich trägt.
Walzenmuster waren in Österreich vor allem ab den 1920er Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet, verloren ihre Bedeutung aber ab den 1970er Jahren durch die rasant steigende Verfügbarkeit preisgünstiger Motivtapeten. Diese Kunstform vor dem Vergessen zu retten, ist eines der Ziele des Vereins „Schablone“ aus Melk. 2020 von den Raumspezialistinnen Birgit Schulz, Judith Augustinovic und Nayari Castillo-Rutz gegründet, verbindet die Mitglieder des Vereins die Leidenschaft für das Handwerk. Eines der Themenfelder mit denen der Verein sich beschäftigt ist die Wohnung des Wiener Künstlers Heinz Frank.Frank walzte seine gesamte Wohnung mit einer rotbraunen Holzstrukturmusterwalze – bis in die Höhe seiner eigenen Körpergröße – auf rotem Untergrund. Diese Wohnung ist Wohnraum und Lebenswerk in einem und steht mittlerweile auch unter Denkmalschutz.
Aber wie entstand die Idee, sich mit der Musterwalze einer in heimischen Museen noch eher unterrepräsentierten Kunstform zu widmen? „Das Projekt entstand mitten in der Pandemie, als Wohnraum über Nacht einen neuen Stellenwert bekam“, so Dr. Birgit Schulz, Obfrau des niederösterreichischen Vereins. „Die Gestaltung der eigenen vier Wände ist uns Architektinnen und Künstlerinnen nicht nur ein professionelles Anliegen, sondern bei jeder und jedem auch mit der eigenen Geschichte und Vergangenheit verbunden. In unseren Gesprächen kam ich auf die seit Jahrzehnten in Kisten und Hängevorrichtungen aufbewahrten Musterwalzen und Musterblätter im Malerbetrieb meines Vaters. Diese stammen teilweise noch aus Zeiten, in denen mein Großvater den Malerbetrieb von seinem Lehrherrn übernommen hatte. Die enorme Ansammlung an Musterwalzen wurde nur noch wenig verwendet, aber aus sentimentalen Gründen aufbewahrt – und damit auch verwobene Geschichten unterschiedlicher Natur festgehalten. Diese Geschichten sind es, die uns im Konzept räumlicher, gesellschaftlicher wie auch regionaler Verhältnisse interessieren.“
Mit Gründung des Vereins „Schablone“ wurden sämtliche Musterwalzen der Sammlung Schulz gereinigt und sortiert. Dabei wurden zwei wahre Raritäten, handgefertigte genagelte Einzelstücke, vorgefunden. Außerdem stieß man auf historische Musterblätter, auf manchen befanden sich schriftliche Hinweise zu Raumfunktion und Farbkombination. Mit Unterstützung der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich war es möglich, diese Fundstücke in einem ersten Musterbuch mit ausgewählten Walzmustern zu präsentieren und in einer limitierten Auflage von 33 Stück einem interessierten Publikum anzubieten. Für 2024 ist eine Publikation in größerer Auflage geplant, die auch eine Bildstrecke mit Walzmustern aus dem Waldviertel umfassen soll.
Ein weiteres aktuelles Projekt des Vereins ist die Aufarbeitung der Walzensammlung der HTL Malerschule Baden / Leesdorf. „Handwerkstechniken müssen in Verwendung sein, um weiterbestehen zu können“, so Schulz. Das Walzmuster war in den Anfängen die kostengünstige Variante zu Tapete und Schablonentechnik, nahezu in allen öffentlichen und privaten Bereichen stieß man darauf. Heute ist es ein exklusives “Produkt” geworden. Nur in seltenen Fällen werden Räume noch in ihrer Gesamtheit mit Walzmustern versehen. Stattdessen wird meist nur eine Wand besonders hervorgehoben.
Damit schwindet mit der Zeit auch das Know-How über historische Farbkombinationen – und deren originärer Anwendung mit Leimfarbe –, sowie die Verwendung der Muster und etwaiger Kombinationen. Ziel des Vereins ist es, dies für kommende Generationen festzuhalten und damit auch die unzähligen Geschichten zu dokumentieren, die mit dieser Art der Wandbelebung verbunden waren und sind.
Fotos: z.V.g. Verein Schablone