Das Wieselburger Volksmusikseminar im Wandel der Zeit
Der gebürtige Purgstaller Helmut Gutleder war 13 Jahre alt, als Ende der 1980er Jahre in ihm der Wunsch entstand Steirische Harmonika zu lernen, ein damals eher selten gespieltes, wechseltöniges Handzuginstrument mit Knopf-Tastatur. Während die Steirische Harmonika heute an den Musikschulen boomt und vielerorts nicht mehr wegzudenken ist, waren es in den 1990er-Jahren noch primär Erwachsene, die sich für dieses Instrument interessierten. Unterricht wurde für die „Steirische“ damals in Niederösterreich kaum angeboten, das Spiel wurde meist autodiaktisch erlernt, auch wenn es zu dieser Zeit schon eine Tabulaturschrift, „Griffschrift“ genannt, für die Steirische Harmonika gab.
Der Vater von Helmut Gutleder, selbst Autodiakt auf der Harmonika (in NÖ oft nur „Harmonie“ genannt), wollte dass sein Sohn die Steirische „ordentlich“ erlernt und stieß dabei auf eine 1988 von Musikschuldirektor Johannes Distelberger ins Leben gerufene Initiative, aus der das Wieselburger Volksmusikseminar wie wir es heute kennen hervorging. Johannes Distelberger war zu Beginn seiner Tätigkeit als Musikschulleiter in Wieselburg auch noch in Oberösterreich als Lehrer tätig. Dort lernte er Karl Dumfart kennen, der ihn durch sein feines Harmonikaspiel begeisterte. Bald war die Idee geboren, ein Seminar für Steirische Harmonika in Wieselburg abzuhalten, um für dieses Instrument auch im Mostviertel neue Impulse zu setzen. Zu dieser Zeit führte die Steirische Harmonika in dieser Region, was Spieltechnik und musikalischen Anspruch betraf, eher ein stiefmütterliches Dasein. Das wollte man ändern und so organisierte Distelberger Seminare, die erst von Stadtgemeinde Wieselburg und der Musikschule Wieselburg und später in Kooperation mit der Volkskultur Niederösterreich zu einem der langlebigsten Volksmusikseminare in Niederösterreich heranreiften.
Seit dem Jahr 1988 ermöglicht das Wieselburger Volksmusikseminar Musikerinnen und Musikern quer durch alle Altersgruppen das Erlernen von Mittlerweile sechs Instrumentengruppen. Die ersten Seminare fanden im Wieselburger Brauhof und später im Gasthaus Hinterdorfer statt. Danach wanderte das Seminar ins Gasthaus Distelberger/Türkensturz, wo es bis heute stattfindet.
Neben dem Ursprungsinstrument, der Steirischen Harmonika, werden auch Weiterbildungen für Gitarre, Chromatisches Hackbrett, Bassgeige, Klarinette und Blechblasinstrumente angeboten. Unterricht für Gruppen steht ebenfalls auf dem Programm des Seminars, zu dem sich jedes Jahr im Schnitt 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Wieselburg einfinden.
Seit die Volkskultur Niederösterreich als Mitorganisator eingestiegen ist, wurde aus der Weiterbildung eine große Initiative, die auch eine ermäßigte Teilnahme für Jugendliche anbietet. Mittlerweile ist der Altersschnitt bunt gemischt, „Von 10 bis 70 ist jede Altersstufe vertreten!“, freut sich Helmut Gutleder im Gespräch.
Und nicht selten kommt es vor, dass aus ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern spätere Lehrerinnen und Lehrer werden. Bei Helmut Gutleder war es nicht anders, mit 19 Jahren wurde er von Karl Dumfart gefragt, ob er nicht Interesse hätte, selbst zu unterrichten. So stieß er 1995 als Lehrer zum Team.
Ab 1998 unterstützte Helmut Gutleder Johannes Distelberger mit der Organisation des Seminars und übernahm später die Gesamtleitung. In diesen 27 Jahren erlebte er einige Veränderungen im Repertoire der traditionellen Volksmusik. Vor 30 Jahren waren auch neu geschaffene Stücke oft bewusst einfach gehalten und in den Grundharmonien traditionell, so Gutleder. Das habe sich gewandelt, aktuell gewünschte und gespielte Stücke sind deutlich raffinierter geworden und auch harmonisch komplexere Kompositionen z.B. aus dem Bereich der Blasmusik fließen verstärkt ein.
Der Anspruch an das musikalische Niveau ist auch bei Laienspielerinnen und Laienspielern ein viel höherer als früher, woran aus Helmut Gutleders Sicht auch die Musikschulen in Niederösterreich einen großen Anteil hätten, denn „das Ausbildungsniveau, von dem gerade jüngere Schülerinnen und Schüler losstarten, ist im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren beachtlich.“
Viele namhafte Volksmusikantinnen und Volksmusikanten haben im Laufe der letzten 30 Jahre beim Wieselburger Volksmusikseminar unterrichtet, allen voran Karl und Brigitte Dumfart (heute Brigitte Schaal), die Brüder Nimmervoll aus dem Mühlviertel, Matthäus und Michael Killinger, Martin Kiesenhofer, um nur einige Referentinnen und Referenten der ersten Stunde zu erwähnen. Die Gitarre sowohl als Melodie- als auch Begleitinstrument wird und wurde besonders durch die Referenten Gottfried Hartl, Reinhold Schmid und Gabi Reiserer in bester Weise unterrichtet, Gabi Reiserer ist leider im vergangenen November verstorben. 20 Jahre lang war auch Andi Salchegger fixer Bestandteil des Seminars, welcher das Spiel auf der Steirischen Harmonika durch seinen außergewöhnlichen Musizierstil, sein besonderes Repertoire und besonders durch seine Experimentierfreudigkeit nachhaltig geprägt hat.
Das Wieselburger Volksmusikseminar hat viele Musikantinnen und Musikanten aus Niederösterreich geprägt, darunter Musiklehrerinnen und Musiklehrer, die sich Tipps für die Volksmusikpraxis geholt haben. Viele heutige Harmonikalehrerinnen und -lehrer haben grundlegende Erfahrungen bezüglich Musizierstil, Technik und Vortrag in Wieselburg gesammelt.
Helmut Gutleder organisiert das Seminar mit Leidenschaft und wird seit 5 Jahren durch den Harmonikalehrer der Musikschule Wieselburg, Bernhard Karoh, bei der Organisation unterstützt. Das nächste Wieselburger Volksmusikseminar wird bereits das 37. sein. Wenn Sie Interesse haben, sich über das Seminar und die Möglichkeiten der Weiterbildung zu informieren, haben Sie hier Gelegenheit dazu
Fotos: zVg Helmut Gutleder