Textilland Niederösterreich
Bei Grabungen an einer bronzezeitlichen Siedlung in der Nähe von Ebreichsdorf wurde unter anderem ein kleines Bündel mit goldenen Fäden gefunden, Reste eines golddurchwirkten Gewebes, eines prunkvollen Gewands, wie die Archäologin Karina Grömer meint. Soweit zurück datierbare Stücke sind rar. Die Herstellung von Textilien ist sicher eines der ältesten Gewerbe und in zahlreichen niederösterreichischen Museen, die sich diesem Thema widmen, gut dokumentiert. Die Spuren lassen sich an ehemaligen Produktionsstätten, wie Tuchmachersiedlungen, Fabriken des 19. und 20. Jahrhunderts und auch zahlreichen Hoarstuben in den Dörfern lesen.
Die Bezeichnung Bandlkramerlandl als Synonym für das Waldviertel erinnert an Zeiten, als das Verspinnen und Weben von Flachs und Schafwolle ein fixer Bestandteil der bäuerlichen Selbstversorgungswirtschaft war. Schon ab dem 16. Jahrhundert organisierten sich webkundige Bauern in Zünften. 1759 gab es im Waldviertel 72 Leinenweberzünfte und das Tuch wurde auf überregionalen Märkten abgesetzt. Eine der ersten Industriesiedlungen Österreichs wurde in der Stadt Horn errichtet. Tuchmacher aus Bayern, Schlesien, den Niederlanden und vor allem aus der mährischen Stadt Iglau wurden angeworben und die Meister und Gesellen arbeiteten in einem herrschaftlich organisierten „Verlag“.
Die zunehmende Massennachfrage, bedingt durch wachsende Städte und die Ausrüstung des stehenden Heeres, verlangte nach neuen Strukturen – die gesetzlichen Grundlagen für ein auf kapitalistischen Prinzipien basierendes Manufakturwesen wurde geschaffen. Die Arbeits- und Betriebsorganisation dieser Textilmanufakturen beruhte allerdings auf dem Verlagssystem: am Manufaktursitz waren Verwaltung, Arbeitsvorbereitung und Endverarbeitung verortet, die arbeitsintensiven Spinn-, Spul- und Webarbeiten wurden in peripheren Regionen ausgelagert, da hier die Lohnkosten entsprechend niedriger waren.
Als Beispiel sei hier die k.k. priv. Schwechater Zitz- und Kottonfabrik, gegründet 1724, angeführt, die den importierten Rohstoff Baumwolle vor allem im Waldviertel verarbeiten ließ.
Die mechanisch betriebenen Webstühle führten im 19. und 20. Jahrhundert zum Aufbau einer klassischen Fabrikproduktion. Hier sei einerseits die Firma Backhausen erwähnt, die nach dem Design verschiedener Künstlerinnen und Künstler der Wiener Werkstätten Stoffe herstellte, andererseits die Anderlfabrik, in der Leintücher, Windeln, Verbandsmull und der für die Wachau und das Weinviertel so typischen Kalmuck gewebt wurden. Zwei Weltkriege hinterließen auch in der Textilbranche ihre Spuren. Und auch der Wiederaufschwung nach 1945 war nicht von Bestand. Die Produktion wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert sukzessive in Billiglohnländer verlagert. Nur wenige Betriebe konnten sich in Niederösterreich halten.
Heute wird so viel Textiles produziert, wie nie zuvor. Die globalisierte Industrie ermöglicht, dass Bekleidung mittlerweile zu einem Wegwerfprodukt geworden ist. Der Klimawandel und unterbrochene Lieferketten in den vergangenen Jahren haben aber ein Umdenken ausgelöst. 2023 legten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Maßnahmen zur Eindämmung der übermäßigen Produktion und des Verbrauchs von Textilien vor. Weiters fordern sie die Einhaltung der Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte, Umwelt- und Tierschutz müssen beachtet werden.
Es gibt sie, die Betriebe in Niederösterreich, die diesen Vorgaben nachkommen. In Webereien im Waldviertel werden Frottierwaren und Brokatstoffe produziert, in Handwerksbetrieben wird Wolle gefärbt und auf Maß gearbeitet. Handwerkerinnen und Handwerker beschäftigen sich mit überlieferten Techniken, um sie ins Heute zu führen. Sichtbar werden diese brauchbaren Stücke der Textilkunst unter anderem beim jährlich stattfindenden Webermarkt in Lunz.
Es ist also höchste Zeit, uns zu besinnen: auf ein vernünftiges Maß an umweltverträglichen und natürlichen Qualitäten und Quantitäten. Die Handwerksbetriebe und Manufakturen stellen sich dieser Herausforderung, mit überliefertem Wissen und neuen Technologien ressourcenschonend zu produzieren.
Beim Symposium Textilland Niederösterreich beleuchten Expertinnen und Experten das Thema Textil und Farbe von vielen Seiten.
(Eva Zeindl)