Musikantinnen und Musikanten spielen schwungvoll auf, es ist lustig und die Stimmung mitreißend. Wie von selbst zieht es die kleinen Kinder hin zur Musik, sie glucksen und wippen im Takt, auch wenn sie kaum noch laufen können, die etwas größeren springen und beginnen sich unentwegt zu drehen. Wem zaubert diese spontane und ungesteuerte Reaktion nicht ein Lächeln auf die Lippen? Warum nur geht dies so oft verloren?
Solange der Tanz noch selbstverständlich in dörfliche und familiäre Alltags- und Festkultur eingebunden war, haben sich Kinder durch Dabeisein, Nachahmen und eigenständige Anpassung an ihre Lebenswelt das Bewegungsrepertoire ihrer Umgebung vertraut gemacht. Das Heranführen an die Welt der Erwachsenen war vielfach mit Ritualen verbunden, Regelbrüche gehörten natürlich zu jeder Zeit zum Wissen über und Anwenden von (gesellschaftlichen) Normen.
Nachtanzbare Sammlungen von Volkstänzen begegnen uns seit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert. Sie läuteten die Zeit der „Volkstanzpflege“ oder auch „Volkstanzbewegung“ ein, die besonders im Osten Österreichs, von Wien und Niederösterreich aus, starke Impulse setzte. Bei der Verschriftlichung der Tänze wurde viel Wert auf Tanzschritte und Figuren gelegt, damit Normierungen festgeschrieben. Vermittelt wurden diese Schätze dann von Wissenden – jenen Menschen, die den Tanz gesammelt, gemeinsam zurecht getanzt hatten, und ihn wieder „zurück ins Land“ brachten. Nicht nur vor Ort, in Schulungen und Dorfabenden etc. wurde vermittelt, auch im Radio! Eine lebendige und starke Volkstanzbewegung kam in Schwung. Dabei wurde zur eigenen Unterhaltung getanzt, aber Tänze ebenso zur Erbauung vor Publikum präsentiert. Zwei sehr unterschiedliche Welten des Weiterlebens des alten Repertoires, vornehmlich in Volkstanzgruppen! Man ging zur Probe, besuchte Volkstanzwochen, traf sich auf Festen. Dabei sollte man ihn – den Volkstanz – „richtig“ tanzen und leben!
Gesteuert wurde nicht nur das Repertoire und die Bewegungsführung, auch auf passende Kleidung und Schuhe, Frisuren, Schmuck und andere Accessoires wurde geachtet. Idealerweise konnte man als Volkstänzerin oder Volkstänzer auch singen und musizieren, Theater spielen, und pflegte „alte“ Bräuche. Vermittelt wurden Wissen und Fertigkeiten durch einen Vortänzer, eine Lehrerin, ein Vorbild… Dass diese Vermittlung wie auch die Pädagogik im Laufe der letzten 100 Jahre sehr unterschiedlichen Ideen und Wertevorstellungen folgte, versteht sich von selbst. Und dass zum Qualitätserhalt Vermittelnde (immer wieder) geschult werden sollten, ebenso. Darauf wird auch in der Volkskultur Niederösterreich besonderer Wert gelegt.
Ende der 1960er-Jahre des vorigen Jahrhunderts reifte die Erkenntnis, dass man nicht Kinder als kleine Erwachsene verkleiden und tanzen lassen sollte. Man versuchte, sie mit altersadäquaten Formen und Spielen an den (Volks-)Tanz heranzuführen. Dazu wurde eigenes pädagogisches Material gesammelt und herausgegeben. Schon in den 1930er-Jahren hatten Grete und Karl Horak Kinderreime und -spiele gesammelt, die 1986 in Buchform herausgegeben werden sollten. Bereits 1962 veröffentlichte der Bärenreiterverlag eine Sammlung überlieferter Kindertänze aus dem deutschen Sprachraum (Hoerburger Felix, Segler Helmut: Klare, klare Seide) Auch in Niederösterreich wurden Sammlungen von Kindertänzen und Kinderliedern erstellt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz legte die „Goldene Brücke“ sowie „Alte Tänze für junge Leute“ auf. Gemeinsam mit der Österreichischen Trachtenjugend wurde eine differenzierte eigene Kindertanzausbildung in drei Modulen für Pädagoginnen und Pädagogen sowie Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter etabliert – neben ebenso dienlichen und erfolgreichen Tanzleiterausbildungen verschiedener Organisationen, wie z.B. des Tanzforums der Volkskultur Niederösterreich, für den Bereich des Erwachsenentanzes.
Egal ob in Kindertanz- oder Tanzleiterausbildung, in allen Schulungen, Workshops und Vermittlungsangeboten stehen neben der inhaltlichen Auseinandersetzung, dem fachlichen Austausch und der Erweiterung des Erfahrungshorizonts ein wesentlicher praktischer Anteil und die bereichernde Begegnung mit anderen im Zentrum. Nicht zuletzt wegen der physischen und psychischen Resilienz-Stärkung und der sozialen Güte ist das Netzwerk der Vermittlerinnen und Vermittler in Niederösterreich tragfähig, die Weiterbildungen lust- und wertvoll!
Bekanntlich kann man nur jene Regeln brechen, die man kennt. Oder anders ausgedrückt: mit dem Material zu spielen beginnen, kann man nur, wenn man es verinnerlicht hat. Aber genau dort schließen wir im Sinne eines lebendigen Weitertragens an die Tradition an: Wenn wir Kindern und Jugendlichen ein Bewegungsrepertoire so nahebringen, dass sie die Fähigkeit entwickeln und die Freiheit haben, durch Nachahmen nicht nur die neuesten Videoclips nachzutanzen, sondern sich eigenständig, spontan und ungesteuert zu traditioneller Musik zu bewegen.
Daher kann nur eine Empfehlung gegeben werden: Auf zum Kindertanz-Workshop am 8. November 2024 in Mautern a.d. Donau – „Bis luckat san die Schuach“! Spielerisch Bekanntes auffrischen, Neues erlernen, die Seele stärken und ein wenig Kind sein dürfen!
Else Schmidt, Lehrbeauftragte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien seit 2003 (Bewegungs- und Tanzpraktikum)