Singtradition im Schneeberggebiet
2013 aufhOHRchen in Gloggnitz, Wirtshausmusik – im Programmheft steht, dass im Gasthaus Maurer die Schanksänger aus dem Schneeberggebiet zu finden sind. Ein Ensemble? Bei der Programmierung des Festivals aufhOHRchen gilt es regionale Besonderheiten vor den Vorhang zu holen, manchmal handelt es sich um Traditionen, die schon fast dem Vergessen anheimfallen. Rudi Pietsch hat so eine Besonderheit des Schneeberggebiets beschrieben:
Bis in die späten [19]50er-Jahre gab es kein Wirtshaus, in dem nicht jeden Samstagabend gesungen wurde, und auch während einer Tanzveranstaltung wurde jede Pause benützt, um lang und ausgiebig zu singen. Nicht selten kam es vor, dass sich mehrere Sängergruppen gegenseitig ansangen, und eine Gruppe der anderen „konterte“. […] Bei den Gruppen handelte es ich allerdings nicht um personell festgefügte Ensembles (im heutigen Sinn). Man sang grundsätzlich mit jedem anderen Sänger zusammen, so wie es der Zufall gerade ergab […], jedoch hatte man bevorzugte Gesangspartner, zu denen man auch sonst entweder familiäre oder freundschaftlich engere Bindungen hatte. (Rudi Pietsch: Der Apfelbauerndudler. Wien 1989. Zit. in: Die Öhler Buam und der Dreigesang Klauser. musikErleben 3, Atzenbrugg 2006)
Und so wurden damals in das Gasthaus Maurer Kurt Lesar, Elisabeth Zottl-Paulischin, Manfred Digruber, Maria Ströbl und alle jene geladen, die sich in dieser Singtradition beheimatet fühlten.
Schon im 19. Jahrhundert erweckten die Almlieder, Dudler und Liebeslieder des Schneeberggebiets mit ihrem enggeführten dreistimmigen Singsatz die Aufmerksamkeit der Sammler und Volksmusikforscher. In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts organisierte der Wiener Liedforscher Georg Kotek „Volksliedersingen“ für die RAVAG, bei denen Sängerinnen und Sänger der Region mitwirkten und ihrem Tun auch die entsprechende Wertschätzung entgegenbracht wurde.
Im Band 3 der Reihe musikErleben ist die familiäre Weitergabe von Liedern und Musikstücken anhand der musikalischen Familiengeschichte der Klausers gut beschrieben. Die Musikalität in der Familie spielte sicher eine große Rolle, aber vor allem in Ermangelung der heutigen vielfältigen Unterhaltungsmöglichkeiten wurde in den Familien viel gesungen. Die Kinder wurden so von klein auf mit einem großen Repertoire vertraut gemacht, es ging quasi ins Blut über.
Das Lernen der Lieder erfolgt ohne Noten und Textstützen, Zuhören ist die wichtigste Tugend. Oder wie es Karl Schiehsl im Booklet der CD „Wånn’s Pech zum Glück wird …“ (HeiVo CD 27, 2002) schrieb: Das gemeinsame Singen bei jeder sich bietenden Gelegenheit, zu Hause, im Gasthaus, beim Heurigen, bei Festen und auch bei der Arbeit war ein heute kaum mehr vorstellbares Grundelement des täglichen Lebens. Melodien und Texte waren Allgemeingut, die Jungen übernahmen sie unwillkürlich von den Alten.
Bei mehreren Gelegenheiten, meist am Wirtshaustisch, bei den Gesprächen zwischen den immer wieder angesungenen Liedern, erzählte Elisabeth Zottl-Paulischin, wie sie sich mit dem Repertoire vertraut machte, von ihren Vorbildern, mit denen sie gemeinsam sang. Kurt Lesar von den Schneebergbuam und Karl Schönthaller, der „Rueperl“ gerufen wurde, sind hier zu nennen. Vor allem nutzte sie jede Gelegenheit zum Zusammensingen mit den „alten Sängern“.
Und noch immer werden Kinder und Jugendliche mit dieser Singtradition groß – aber es werden weniger. Barbara Ströbl, Christoph Schauer und Dominik Vogl „entdeckten“ während ihres Musikstudiums in Wien, dass es verblüffender Weise nicht selbstverständlich ist, zu gängigen Liedern eine zweite und dritte Stimme „dazuzuhören“. Als Junge Ambacher Sänger verschreiben sie sich der Mission, genau dies anhand der Schneeberg’schen Singtradition aus Lernwilligen herauszukitzeln. Denn um es in ihren Worten zu sagen: Lassen Sie sich darauf ein, Sie werden sehen: Es fühlt sich absolut großartig an, wenn die fehlende Stimme nach kurzer Suche plötzlich „einrastet“, als wäre nichts anderes in diesem Moment wichtig.
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(Eva Zeindl)