Märchen aus Niederösterreich

Märchen aus Niederösterreich

Vom Samstag 24. August auf den Sonntag, 25. August lädt die Volkskultur Niederösterreich zur „Langen Nacht der Märchen“ in den Brandlhof in Radlbrunn mit der bekannten Märchenerzählerin Dena Seidl, einer Schnitzeljagd und einer Märchenwanderung durch die Radlbrunner Kellergasse mit optionaler Übernachtung im Zelt.

Die Anmeldung ist hier bereits möglich und wir wollen dieses besondere Sommer-Highlight für Kinder zum Anlass nehmen, um in die Geschichte heimischer Märchen einzutauchen.

(c) Pixabay

Jeder kennt den Froschkönig, das Rotkäppchen oder andere legendäre Märchenfiguren der Gebrüder Grimm.

Aber was ist mit regionalen Märchen und Sagen aus Niederösterreich: von „Der kleine Schneider“ (Mostviertel) bis „Der Wunderschimmel“(Waldviertel)? Welche lokalen Bezüge haben sie und welche heimischen Orte kommen darin vor?

Anbei stellen wir vier Märchen aus Niederösterreich vor, aus jedem Landesviertel eines:

 

Waldviertel: Der Wunderschimmel

(c) Kudy Badorata

Das Märchen „Der Wunderschimmel“ aus Weitra im heutigen Waldviertel wurde im 19. Jahrhundert erstmals aufgezeichnet und erzählt, passend zu diesem Teil des tiefen Waldviertels, die Geschichte eines Holzfällers. Dieser gerät durch den Verlust seiner Arbeit in Not und verlässt Weitra auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit.

Nachdem seine Arbeitssuche nicht erfolgreich ist, begegnet er auf dem Rückweg einem mysteriösen, in hellem Grün gekleideten Jäger, der ihm ein Säckchen voller Goldstücke gibt, allerdings gebunden an das Versprechen, dass er ihm das, was er in neun Jahren zu Hause finden werde, dann überlassen müsse. Aus der Not heraus geht der Mann auf den kryptischen Handel ein – zurück in Weitra stellt er jedoch fest, dass seine Ehefrau schwanger ist – und erkennt den Haken an dem Versprechen des mysteriösen Unbekannten.

Die neun Jahre vergehen, und am Ende des letzten kommt der grüne Jäger tatsächlich, um das Kind, einen Jungen namens Ferdinand, zu holen. Er bringt ihn auf sein Schloss – den Beschreibungen nach ist hier das im 16. Jahrhundert aus dem Umbau einer Burg entstandene Renaissanceschloss Weitra gemeint –, wo die Bediensteten sich gut um ihn kümmern.

Schloss Weitra (c) Leonhard Niederwimmer

Das Schloss beherbergt einige geheime, magische Plätze. So entdeckt Ferdinand einen Teich, der alles in Gold verwandelt, was man hineinlegt, und trifft im geheimnisvollen letzten Zimmer des Schlosses auf seinen Großvater, der ihm den Weg zu einem „fleckenlosen“ Schimmel, einem majestätischen Pferd, weist, das sprechen kann und Ferdinand auf seinem Rücken mitnimmt, um seinem Entführer, dem grünen Jäger, zu entkommen.

In einer Reise durch das Waldviertel stellt der Wunderschimmel Ferdinand mehrere Aufgaben.

Während ihrer Abenteuer vergehen zehn Jahre, an deren Ende der mittlerweile erwachsene Ferdinand das Herz einer Königin erobert und  seine Eltern aus der Armut an den Hof von Schloss Weitra holt.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich, Wien 1863

 

Industrieviertel: „Für einen Kreuzer hundert“

(c) pixabay

Dieses Märchen spielt in Mödling im heutigen Industrieviertel und wurde auch um 1863 von Theodor Vernaleken, in „Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich“ zum ersten Mal aufgezeichnet. Es erzählt die Geschichte eines jungen Buben, der beim Besuch der heiligen Messe mit seiner verwitweten Mutter in der Predigt einen Satz hört, der ihn beeindruckt: „Wer den Armen etwas gibt, dem zahlt es Gott hundertfach zurück.“

Der kleine Junge nimmt das wörtlich. Er gibt einen vom Mund abgesparten Kreuzer in den Klingelbeutel und wartet Tag für Tag darauf, dass Gott zu ihm kommt, um ihm hundert Kreuzer zu überreichen. Als die erwarteten hundert Kreuzer nicht kommen, fragt der kleine Junge beim Pfarrer nach, woran das denn liegen könne. Um ihn loszuwerden, sagt der Pfarrer dem Jungen, er solle doch den lieben Herrgott suchen, und wenn er ihm begegne, könne er ihn selbst fragen.

Auch das nimmt der Junge wörtlich und so packt er sein „Pinkerl“ und beginnt von Mödling aus seine Reise, die ihn von Bauernhof zu Bauernhof, über eine Ritterburg (die heutige Burg Liechtenstein) bis zu einem Kloster (vermutlich Kloster St. Josef Breitenfurth) führt. Überall trifft er Leute auf seinem Weg, denen er erzählt, dass er den lieben Herrgott sucht, und allerorts finden sich Menschen, die ihm etwas mitgeben, was er dem lieben Gott doch ausrichten solle, wenn er ihm begegne.

Burg Liechtenstein (c) pixabay

Schließlich trifft der Junge einen mysteriösen Fremden, der ihm klar macht, dass die Reise, die er unternommen hat, und die Menschen, die er getroffen hat, den 100-fachen Wert eines Kreuzers haben.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich, Wien 1863

 

Weinviertel: „Der blöde Peter“

Ein richtiges Underdog-Märchen ist „Der blöde Peter“ aus Obersulz im Weinviertel.

Im Zentrum steht der von allen als „blöd“ diskriminierte Junge Peter, der aus armen Verhältnissen stammt und entgegen seines Rufs alles andere als dumm ist, aber stetig unterschätzt wird.

Sein Glück wendet sich, als er den Ritter eines naheliegenden Schlosses kennenlernt. Dieser wird nicht namentlich erwähnt, aber es ist wahrscheinlich, dass hier der in der Region legendäre Ritter von Heintl von der Herrschaft Sinzendorf (Ernstbrunn) gemeint ist, der einst das Gut Nexing betrieb, und auf den Schloss Nexing in seiner heutigen Form zurückgeht.

Der Ritter hat einiges vor, er will „Die goldene Schale holen, welche die Kraft hat, dass Kranke genesen, wenn sie aus ihr trinken, und dass Tote wieder erwachen, wenn man die Schale an ihre Lippen hält, dann die diamantene Lanze, die alles zerbricht und tötet, was man damit berührt.“

(c) pixabay

Beides hofft er in der „Burg“ zu finden,dem heutigen Schloss Nexing, das damals, so will es das Märchen, noch „dem Riesen“ gehörte, einem gefürchteten Zauberer. Peter beschließt, dem Ritter den Weg zum Schloss zu zeigen. Der Beginn eines Abenteuers, das ihn durch einen verzauberten Wald führt, zu einem Zwerg mit feurigem Schwert, der einen Apfelbaum voll goldener Früchte bewacht, und einer lachenden Blume, die von einem Löwen beschützt wird.

Es gelingt Peter, diese Blume zu pflücken und durch den Drachensee zu schwimmen, wo es zur Konfrontation mit dem Riesen kommt, der eine Kugel hat, die nie ihr Ziel verfehlt. Doch Peter wächst über sich hinaus und wird schließlich zum König gekrönt.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich, Wien 1863

 

Mostviertel: „Der kleine Schneider“

(c) Heidemarie Mayrhofer

Aus Viehofen im Mostviertel stammt das wohl bekannteste niederösterreichische Märchen, das in einigen Teilen Parallelen zum „Tapferen Schneiderlein“ der Gebrüder Grimm aufweist.

Es erzählt die Geschichte des Tagelöhners Hans, der eines Tages von einer gütigen Hexe einen magischen Fingerhut und eine magische Schere geschenkt bekommt, mit der Auflage, nie mehr mit anderem Werkzeug zu arbeiten.

Dieses magische Werkzeug verschafft ihm besondere Fähigkeiten und so wird er bald zum Werkführer über zehn Gesellen, die aufgrund seines jungen Alters neidisch auf ihn sind, sein Werkzeug stehlen und ihn wegen Hexerei anzeigen wollen (zur Zeit der Entstehung des Märchens um 1800 ein durchaus ernst zu nehmender Tatbestand im Mostviertel).

Dem kleinen Schneider gelingt es, zu fliehen, wobei es ihn in eine Stadt verschlägt, in der alle Besucher dazu verdammt sind, Mehlsäcke zu tragen. Um den Fluch zu brechen, duelliert sich der kleine Schneider mit einem Riesen und schafft es schließlich, den Ort zu befreien, und Kraft seines magischen Werkzeugs, für alle neue Kleider zu schneidern.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich, Wien 1863

 

Haben Sie nun Interesse an heimischen Märchen und Sagen bekommen? Dann nicht die „Lange Nacht der Märchen“ im Brandlhof in Radlbrunn verpassen! Alle Kinder, die Märchen mögen, und alle Erwachsenen, die sich für regionales Kulturgut interessieren, können sich hier  zur „Langen Nacht der Märchen“ vom Samstag, 24. August bis Sonntag, 25. August anmelden.

Mit Märchenerzählerin Dena Seidl lernt man den Märchenschauplatz Brandlhof im Zuge einer Schnitzeljagd kennen und die Welt der Märchen bei einer Märchenstunde. Mit Feenstaub gelingt das Eintauchen in eine andere Welt, in der Kinder als Schauspielerinnen oder Schauspieler selbst aktiv werden können.

Nach dem Abendessen richten wir gemeinsam den Zeltplatz ein, machen eine Märchenwanderung durch die Radlbrunner Kellergasse (Kinder mit Taschenlampe haben einen Vorteil!) und versuchen dabei, neue Märchen entstehen zu lassen. Natürlich wird es auch ein bisschen gruselig, aber als Belohnung gibt es Zauberperlen!

Vor der Geisterstunde verabschieden wir jene Kinder, die nicht im Brandlhof zelten. All jene, die noch nicht müde sind, dürfen einem Gute-Nacht-Märchen lauschen. Am nächsten Morgen endet die „Lange Nacht der Märchen“ mit einer Abschlussgeschichte und einem märchenhaften Frühstück.

Kosten mit Zelt: EUR 30,00 (Aufbau des Zeltes ab 16.30 Uhr möglich)

Kosten ohne Zelt: EUR 20,00 (ohne Übernachtung, 18.00-23.00 Uhr)

Die Preise verstehen sich inkl. Verpflegung (Abendessen und Getränke bzw. für Übernachtungskinder Mitternachtssnack und Frühstück)

Mitbringen: eigenes Zelt

Information und Anmeldung:
Doris Buchmann
Standortleitung Brandlhof
Tel.: 0676 4391652
doris.buchmann@volkskulturnoe.at