15. August – Maria Himmelfahrt
Sebastian Franck (1499-1542), ein deutscher Theologe, Publizist, Chronist und in seiner Zeit ein Freigeist, berichtet im „Weltbuch“ (erschienen 1534) „(an vnser frawen himmelfart) da tregt alle welt obs / büschel allerley kreuter / in die kirchen zu weihen / für alle sucht und plag uberlegt / bewert. Mit disen kreutern gschicht seer vil zauberei“
Die Kräutersegnung bzw. Kräuterweihe zum Fest Mariä Aufnahme in den Himmel hat eine jahrhundertealte Tradition und geht wahrscheinlich auf vorchristliche Bräuche zurück. Denn bestimmten Pflanzen wurden und werden heilende Kräfte zugeschrieben, aber auch magische. Die Kräutersträußchen, auch Weih- oder Würzbüschel, Krautwisch, Wiehenne, in der Schweiz auch Augustmaien genannt, sollen Haus, Hof und alle landwirtschaftlichen Flächen vor Unwetter, Krankheiten und wie es in der Überlieferung heißt den „Anfechtungen des Teufels“ schützen.
Wie so ein Kräutersträußchen aussieht, hängt von regionalen Traditionen ab. Oftmals taucht die Zahl sieben auf, als Hinweis auf die sieben Sakramente. Mancherorts wurden 77 oder gar 99 Kräuter gebündelt. Dies wird aber heutzutage schwierig werden, da in unseren Kulturräumen die Vielfalt der Pflanzen deutlich zurückgeht. Die Damen der Mostviertler Goldhaubengruppen gehen da pragmatisch vor – was in den Tagen vor dem 15. August in der jeweiligen Region wächst und gedeiht, wird zu den wohlriechenden Buschen gebunden.
Dennoch wollen wir heute sieben Kräuter anführen, deren Heilkraft schon seit dem Mittelalter beschrieben wurden, die in Bauern- und Klostergärten wuchsen und wachsen und die auch heute noch – sofern vorhanden – verwendet werden. Die Kultivierung der Pflanzen ist schriftlich schon vor der ersten Jahrtausendwende belegt: In der Capitulare de villis, entstanden im höfischen Umfeld Karls des Großen, sowie im Gartenplan des Klosters St. Gallen, entwickelt im Jahr 820.
Hildegard von Bingen (1098-1179) werden zwei natur- und heilkundliche Werke zugeschrieben, in denen das damalige Wissen über Krankheiten und Pflanzen aus der griechisch-lateinischen Tradition mit der Volksmedizin zusammengebracht wurden. Auf ihre Expertise gehen die folgenden Zeilen zurück.
Die Wurzel des Echten Alant mit seinen goldgelben Blüten hat als honigwurtz zubereitet nach Hildegard von Bingen vor allem bei Lungenleiden viele heilsame Kräfte. Es wurde damit aber auch Bier gewürzt.
Baldrian verwendete die Heilige gegen Lungenentzündung und Gicht – als Beruhigungsmittel war die Pflanze im Mittelalter noch nicht bekannt.
Die Kamille wurde in der Geburtshilfe gerne eingesetzt.
Der Rainfarn ist eine sehr robuste Pflanze, die auch weit verbreitet ist. Er hilft laut Hildegard von Bingen gegen Schnupfen, Magenbeschwerden und Harnverhalt. Da der Rainfarn die giftige Substanz Thujon enthält, ist die Verwendung in der Hausapotheke nur kundigen Personen empfohlen. Wird ein Sud daraus hergestellt, vertreibt dieser, auf Pflanze aufgesprüht, die Blattläuse. Ähnlich dem Lavendel helfen die getrockneten Blüten auch gegen Motten im Kleiderschrank.
Der Salbei gilt als universell einsetzbares Heilmittel. Seine Popularität ist auch am sogenannten Salbeitraktat ablesbar, der in 400 Handschriften überliefert ist. Es handelt sich dabei um einen mittelhochdeutschen Text, in dem die 16 tugenden des mit Gewürzwein destillierten Salbeis aufgezählt werden.
Bei inneren und äußeren Verletzungen, aber auch bei Fieberanfällen kommt die Schafgarbe zum Einsatz.
Der Wermut ist jene Pflanze die universell gegen Ungeziefer wirkt: Er schützt Gewand und Holz vor Würmern und Mäusen und mit Wermutsaft gekochte Tinte verleidet den Mäusen das Annagen von Schriftstücken. Hildegard empfiehlt warmen wermuda äußerlich bei Kopfweh, Brustschmerzen, Husten und Gicht. Als sehr heilsam galt auch eine Zubereitung mit Honig und Wein, womöglich die Vorstufe des heutigen „Vermouth“.
Bei der Wallfahrt der Mostviertler Goldhauben- und Trachtengruppen am 15. August in Pöchlarn können wieder die vielfältigen duftenden Kräutersträußchen bewundert werden. Und vielleicht dürfen Sie eines gegen eine Spende für caritative Zwecke mit nach Hause nehmen!
Eva Zeindl
Verwendete Literatur:
Bruno B. Kremer: Weihnachtsbaum und Osterhase, 2017
Helmut Birkhan: Pflanzen im Mittelalter, 2013
Handbuch des deutschen Aberglaubens, 1947
Abbildungen der Pflanzen: Köhler‘s Medizinal-Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte, 1887