Die Habergoaß
Die Habergeiß (Habergoaß) ist eine Dämonengestalt in Form einer Ziege, deren Geschichten im Wesentlichen in ganz Europa verbreitet ist. Sie gehört zur Gruppe der Naturgeister aus den mythischen Gestalten des Volkslebens. Mythologisch findet sie z. B. in Skandinavien ihre Entsprechung im „Julbock“ und in Rumänien in der Capra. Im Alt-Isländischen wird sie als „Hafar“ bezeichnet (Namensherkunft) und wird assoziiert mit dem Bock des Gottes Thor. In der Schweiz gibt es die Sage vom Donner verursachenden „Rollibock“.
In Österreich ist die Habergeiß im Brauchleben fest verankert und tritt bei unterschiedlichen lokalen Bräuchen in Erscheinung. Vor allem im Fasching, bei den Maibaum-Bräuchen und bei den Perchtenläufen (laut alter Sagen ist die Habergeiß das Haustier der Perchten mit überragender Stärke). Bei den Erntebräuchen versteht man unter der Habergeiß die aus Stroh der letzten Garbe gebundene Gestalt, die auf dem (Hafer-)Feld aufgestellt wird.
Im Semmering-Rax-Schneeberg-Gebiet ist die „Habergoaß“ im Rahmen des fröhlichen Treibens rund um die Versteigerung des Maibaums dokumentiert. (Arthur Halberstadt, „Eine originelle Bauernwelt“, 1912; und „Semmeringer Zeitung“ vom 2. April 1909): Nach der Versteigerung des Maibaums muss dieser um geschnitten werden. Die Sennerin hat den Holzknechten jedoch vor dieser Arbeit einen Sterz zu kochen und muss dazu die mitgeführte riesige, zottige Goaß melken, was nach einigen lustigen Eskapaden schließlich auch immer gelingt.
Das gesamte Spiel wird übrigens am 22. Juni 2024 in Payerbach anlässlich des Maibaum-Umschneidens aufgeführt.
[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]Die Sage von der Habergoaß vom Semmering
Vor langer Zeit hauste in den Adlitzgräben am Semmering die „Habergoaß“ und trieb da ihr Unwesen. Seppi, der jüngste Sohn des Pollrossbauern, hütete dort seine Ziegen. Als er sie einmal heimwärts treiben wollte, verdunkelte mit einem Mal dichter Nebel den Weg, und ein Sturm begann zu heulen. Plötzlich waren auch seine Ziegen verschwunden! Und so viel der Bub auch rief und lockte, er sah und hörte nichts mehr von den Tieren. Verzweifelt suchte er nach ihnen, kletterte hinauf und wieder hinunter, doch bald hatte er sich verirrt und wusste weder vor noch zurück. Da vernahm er von ferne ein Meckern, das immer näherkam. Seppi fasste wieder Mut, endlich hatte er seine Tiere wieder gefunden! Doch auf einmal war das Meckern grauenvoll, ja höllisch anzuhören. Das konnte nicht von seinen Ziegen kommen! Das konnte nur die „Habergoaß“ sein! Schon roch er über sich Pech und Schwefel und spürte den heißen Atem des Teufels. In höchster Not hob er seine Hände zum Himmel und rief: „Heilige Mutter von Maria Schutz hilf mir! Rette mich aus den Klauen des Bösen!“
Da rissen plötzlich die dunklen Wolken auf, und in strahlendem Licht sah er das Madonnenbild von Maria Schutz schützend über sich schweben. Im nächsten Augenblick stürzte die „Habergoaß“ mit schrecklichem Gemecker und Geheule in den Abgrund. Der Hirte aber war gerettet und fand nun auch seine Geißen wieder. Am nächsten Kirtag zündete Seppi als Dank für seine Rettung eine große Kerze vor dem Gnadenbild der Madonna von Maria Schutz an.
Erzählt von Herta Hofer (Reichenau an der Rax)
Der Maibaum
Der Maibaum ist bereits seit dem Mittelalter nachgewiesen. Heute gilt der Maibaum als Zeichen für das Leben, das Neuerwachen und Wachsen der Natur im Frühling. In früheren Zeiten war er auch ein Rechtssymbol, das auf das Betretungsverbot der Felder und Wiesen in der Zeit zwischen dem Aufstellen (1. Mai) und der Ernte aufmerksam machte. Der Maibaum ist KEIN Relikt germanischer Glaubensvorstellungen und auch KEIN Symbol von Manneskraft. Der langjährige Leiter des Wiener Volkskundemuseums Leopold Schmidt sah im Maibaum ein einst herrschaftliches Geschenk, dessen Holz im Herbst die Armen zum Heizen geschenkt bekamen. Die Volkskundlerin Helga Maria Wolf weiß sogar von einem Maibaumkraxeln am Wiener Hof im Jahr 1203 zu berichten. Nach dem Revolutionsjahr 1848 wurde der Maibaum als „Freiheitsbaum“ interpretiert. Dorfgemeinschaften erhielten nach der Aufhebung der feudalen Grundherrschaften einen neuen Stellenwert.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wandelte sich der Maibaum zu einem Fruchtbarkeitssymbol.
Der Bandltanz
Der erste Beleg für einen Tanz um einen Maibaum stammt aus dem Jahre 1225 aus Aachen. Wenig später gab es ähnliche Berichte aus England, Österreich, Böhmen, Schlesien und anderen Ländern. Von besonderen Tanzformen ist nichts bekannt, es müssen aber sehr viele gewesen sein und Bänder waren fast immer mit dabei, wenn um den Maibaum getanzt wurde. Auch war der Tanz nicht auf den 1. Mai beschränkt, sondern wurde irgendwann in der Oster- und Frühsommerzeit durchgeführt. Wenn man die Literatur zum Bandltanz betrachtet, sind heute die Hauptverbreitungsgebiete Bayern, Salzburg, Kärnten und Steiermark. Es ist ein Volkstanz, bei dem mit langen Bändern um einen ortsfesten oder herbeigetragenen, geschmückten Baum getanzt wird, wobei die Beteiligten durch entsprechendes Gehen und sich Drehen mit den Bändern verschiedene Muster am Stamm des Maibaumes erzeugen. Die Bänder gibt es immer in zwei verschiedenen Farben, die meist denen der Landesfarben entsprechen.
In Österreich ist es der Brauch recht kunstvolle Bandltänze zu machen, die zu Beginn viele Figuren haben (Kreisen, Burschen-, Dirndlkreis, Dirndltragen, Burschen-, Dirndlstern, Flechtkreise und viele andere.
Melodie
Auch der weltberühmte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart komponierte einen Bandltanz. Angeblich ging Mozart sehr oft in das Tuchgeschäft gegenüber der Kollegienkirche in Salzburg, welches bis heute noch als Tuch- und Wollgeschäft existiert, Schuhbänder kaufen, da er in die Tochter des Geschäftsbesitzers verliebt war. Für sie soll Wolfgang Amadeus Mozart seinen Bandltanz komponiert haben.
Maibaum Umschneiden im Semmring-Rax-Gebiet
Das Fest zum Umschneiden des Maibaumes hat im Semmering-Rax-Gebiet lange Tradition.
Nach den Tänzen um den Baum (Bandltanz) beginnt unter der Oberaufsicht des „Försters“ die Versteigerung. Nach dem Zuschlag des Baumes werden die Holzknechte gerufen. Diese verlangen aber zuerst nach einer Stärkung. Zur Labung der Holzknechte wird von der Sennerin Feuer zum Sterzkochen gemacht. Zum Milch-Melken wird vom „Goassltreiber“ die „Habergoaß“ herbeigezerrt. (Die Habergoaß ist ein Fabeltier (nicht nur) im Semmering-gebiet). Der wenig bekömmliche Sterz führt zu einem „Erstickungsanfall“ bei einem der Holzknechte. Der muss sofort „operiert“ werden. Eine eilig herbeigeholte „Krankenschwester“ kümmert sich darum. Die (vorgetäuschte) Narkose erfolgt mit Holzhammer und Schnapsinfusion. Gerade nachdem die Operation gelungen ist, wird vom „Förster“ ein „Wilderer“ (mit schwarz gefärbten Gesicht) gestellt, der auf den Baum klettern will, aber schlussendlich zwischen den Zuschauerinnen und Zuschauern untertaucht, wobei er vor allem das weibliche Publikum mit seinem schwarzen Gesicht „abbusserlt“.
Schlussendlich wird der Baum, nach heftigen Diskussionen um das Wie und Wo, feierlich mit der Zugsäge umgeschnitten. Alles in Allem ein buntes lustiges Treiben.
Text von Gerhard Prenner (Reichenau an der Rax)
Quellennachweis:
Arthur Halberstadt „Eine originelle Bauernwelt“ (1912)
Norbert Toplitsch: Sagen und Geschichten aus dem Semmering-Rax-Schneeberg-Gebiet
Henriette Koller: „Geheimnisvolles Semmering“;
Wikipedia
Semmeringer Zeitung vom 2. April 1909