aufhOHRchen

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Landstreich am Beginn ihres Wirkens (Zeitungsausschnitt, www.discdogs.at)
Landstreich am Beginn ihres Wirkens (Zeitungsausschnitt, www.discdogs.at)

lassen Landstreich und Federspiel – im Doppelpack. aufhOHRchen, das Volkskultur-Wander-Festival, feiert nämlich in diesem Jahr seine 30. Auflage in St. Valentin. 1999 war das aufhOHRchen in der westlichst gelegenen Stadt unseres Bundeslandes, damals das fünfte Festival, zu Gast. Und seither gibt es dort die jährlichen wieder aufhOHRchen mit Wirtshausmusik und Maibaumaufstellen. Zum Festivaljubiläum wird St. Valentin fünf Tage hindurch zur Hauptstadt der Volksmusik erhoben. Seit mehr als drei Jahrzehnten entfacht aufhOHRchen die Begeisterung für regionale Besonderheiten: Allem voran steht die Musik, wenngleich der Kontext und der Blick aufs Ganze entscheidend sind. Denn worum geht es?: um Alltags- und Festtagskultur.

Diese verändern sich langsam und folgen dem gesellschaftlichen Wandel. Ich würde meinen, dass sich zum einen die Verpackung ändert, zum anderen steigen das Tempo und das kulturelle Angebot kontinuierlich. Schnelllebigkeit und Unüberschaubarkeit machen uns zu schaffen, das kann wohl nicht negiert werden. „Kultur gestalten“ kann helfen, die Herausforderungen unserer rasanten und durchaus krisengeschüttelten Zeit zu meistern. Wir müssen es nur tun. Wie erfüllend ist es doch, selber Lieder zu singen, ein Tänzchen zu wagen, ein Musikinstrument zu spielen, eine gelungene Geburtstagsrede zu formulieren, eine Sonntagsmehlspeise zu backen, oder handwerklich so fit zu sein, dass der Garten, die Obstbäume oder der Haushalt halbwegs in Stand gehalten werden können. All das hat kulturelle Tangenten.

Federspiel 2015 (Foto: Julia Wesely)

Anfang der 1990er-Jahre eroberte Hubert von Goisern mit seiner Interpretation des „Hiatamadls“ die Hitparaden. Damit gelang ein signifikanter Durchbruch für Neues. Mit einher ging ein Generationenwechsel in den Volksliedwerken. Wir damals „Jungen“ – Edgar Niemeczek, Reinhard Johler und ich, – bekamen die Chance, die Volkskultur zu entstauben. Gemeinsam mit Freunden aus der Szene und unterstützt durch den Club Niederösterreich mit Ernst Scheiber an der Spitze, versuchten wir in Niederösterreich etwas auf die Beine zu stellen, das es vorher nicht gab und das vor allem folgenden Beweis antrat:

Volkskultur ist intelligent. Sie liefert die Basis für musisch-kreatives Schaffen und bildet den Kitt der Gesellschaft.
In dieser Zeit formierten sich vermehrt großartige Ensembles, die es mitunter bis heute gibt und die neue und mutige Wege beschritten: Biermösl Blosn (Dieses Ensemble wurde allerdings schon 1976 gegründet und musizierte bis 2012. Die Brüder Well verbanden bayrische Volksmusik und Mundart mit politisch-satirischen Texten und galten daher als Vorbild für andere Volksmusikkabarettgruppen), Aniada a Noar seit 1981, Broadlahn seit 1982, Landstreich seit 1991, Mnozil Brass seit 1992 usw.

Cover des ersten Programmhefts von aufhOHRchen in Tulln und St. Pölten 1993. Christof Spörk und Gerhard Draxler. Foto: Josef Spörk.

Die frischen Formationen machten „urbane“ Volksmusik, schrieben Volxmusik mit x, ließen Jazz und Popularmusik einfließen und suchten Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen überlieferter österreichischer Volksmusik und der anderer Kulturen: subsummiert unter „neue Volksmusik“ oder „Weltmusik“.

Jedenfalls ging es um den Dialog zwischen Tradition und Moderne, Alt und Jung, Theorie und Praxis. Diese Brücken galt es, Jahr für Jahr zu behaupten. Gerade Ensembles wie Landstreich oder Federspiel, denen volksmusikalische Wurzeln oder Prägungen eigen sind, wollten mehr. Ausprobieren, Arrangieren, Texten, Unterhalten, nicht zuletzt auch mit den eigenen Bühnenprogrammen Geld verdienen.

Landstreich entwickelte sich aus den Steirischen Rieglmoargeigern, die sich bald Steirische Landstreich nannten: Edith Zimmermann, Geige. Christof Spörk, Klarinette. Klemens Riegler, Steirische Harmonika. Michael Schwaiger, Bratsche und Gerhard Draxler, Bassgeige. Das war 1991. Wenige Jahre später folgten Krzysztof Dobrek, der so phantastische polnische Straßenmusikant am Akkordeon, und Leonhard Paul (heute Lehrer an der Wiener Musikuniversität und Musiker bei Mnozil Brass seit 1992) an der Posaune bzw. Basstrompete.

Diese Besetzung bestand von 1996 bis 1998. Und von 1998 bis 2005 gab es die 4er-Partie mit Edith, Stoffl (Christof), Krzysztof und Gerhard. „Das war die erfolgreichste Zeit, in dieser Zeit produzierten wir auch unsere wichtigsten CDs „Spenden Sie“ und „Stau“ – 2004 wurden wir mit dem Kleinkunstpreis „Salzburger Stier“ ausgezeichnet – und danach wurde elf Jahre lang pausiert – Durchbruch und Ende“, skizziert Christof. „Vorübergehende Auferstehung“ hieß es 2016. Es wurde wieder gespielt – beispielsweise bei der Eröffnung der Wiener Festwochen. Die Nachfrage nach Landstreich als einmaliges Volksmusikkabarett war da.

Landstreich plus. Foto: Wolfgang Hummer

Ab 2017 als Landstreich plus mit Johanna Kugler an der Geige. (Anmerkung: Johanna folgte nach dem Ableben von Rudi Pietsch (1951 – 2020) auch bei den Tanzgeigern als Geigerin nach.) Christofs Texte sind nach wie vor genial, Johanna und „Tschisch“, wie Krzysztof von seinen Freunden genannt wird, bringen die musikalische Brillanz ein und Gerhard bewegt durch seine Spontaneität auf der Bühne. Landstreich plus, das sind vier so unterschiedliche und vitale Persönlichkeiten, die sich mögen und gerne miteinander musizieren bzw. singen, nicht mehr und nicht weniger.

Was erwartet uns in St. Valentin? „Landstreich spielt Landstreich“ – alte Nummern wie „Råsnmahn“ und „Karriereleiter“ – oder auch Übernahmen aus Christofs Kabarettprogrammen, „renaturiert“, so der Titel ihres Sets..

Und die Gruppe Federspiel bezieht sich in ihrem Set auch auf Nummern, die immer gut sind. 2004 gegründet, waren die „Burschen“ damals 15, 16 Jahre alt. Rudi Pietsch wollte mit seinem Stiefsohn Matthias Werner, Posaunist und heute Komponist, und dessen Freunden, musikalisch neue Wege gehen. Jenes Repertoire, das Rudi von der „Simon Geigenmusi“ übernommen hat oder durch seine Tätigkeit als Volksmusikforscher mit den damaligen Tanzgeigern aufspielte, wollte er mit Bläsern ausprobieren. Nicht ganz einfach für eine kleine Blaskapelle mit Klarinette, Trompeten/Flügelhörnern, Posaunen und Tuba. Die sieben Musiker und Sänger, das sind heute (dem Alphabet nach), Frédéric Alvarado-Dupuy, Klarinette. Christian Amstätter, Posaune. Roland Eitzinger, Tuba. Philipp Haas, Trompete/Flügelhorn. Christoph Moschberger, Trompete/Flügelhorn. Thomas Winalek, Posaune/Basstrompete und Simon Zöchbauer, Trompete/Flügelhorn/Zither. Schon wenige Jahre nach der Gründung entwickelte das Ensemble so etwas wie ein künstlerisches Eigenleben.

Federspiel. Foto: Felix Groteloh

Eigenkompositionen und Eigenarrangements sowie musikalischen Experimenten galt das Interesse zunehmend, ohne das ursprüngliche Repertoire zu vergessen. „Es ging um die Erweiterung des Klangkörpers und die musikalische Entwicklung und zwar Schritt für Schritt“, reflektiert Frédéric hinsichtlich der Historie. Diese „edelste Tätigkeit“ ist auch heute noch so etwas wie eine Triebfeder für die Existenz der Band. Federspiel hat die Welt erobert, mit Auftritten in Amerika, Kanada und Europa. Sieben Alben, das achte ist in Produktion, dokumentieren die Schaffensperioden. Ähnlich wie bei Landstreich verbindet die Freundschaft, die als wichtigste Säule den Bestand des Ensembles sichert. „Es herrscht blindes Vertrauen, wir verbringen sehr viel Zeit miteinander, mehr wie mit unseren Partnerinnen und können auch mit Konflikten, die selbstverständlich auch auftreten, gut umgehen“, kommt Frédéric beinahe ins Schwärmen.
Auf St. Valentin freut sich das Ensemble besonders, hat man Landstreich gewissermaßen als Wegbereiter und Vorreiter für den eigenen Weg empfunden.
Am Programm stehen Auszüge aus dem eigenen Jubiläumsprogramm mit einem Querschnitt durch die vergangenen 20 Jahre.

Zugabenmäßig dürfen wir auf Gemeinsames von Federspiel und Landstreich plus hoffen.
Und ich freue mich sehr darauf, beim Jubiläumskonzert auch ein wenig in die eigene Geschichte eintauchen zu können.

Dorli Draxler
März 2025

Hinweis:
Jubiläumskonzert mit Federspiel und Landstreich plus am Freitag, 2. Mai 2025, 19.30 Uhr, Valentinum – innerhalb des 30. Volkskulturfestivals aufhOHRchen, 30. April bis 4. Mai 2025 in St. Valentin.