Die Zither – außergewöhnlich, einzigartig und faszinierend
Für die einen schlägt das Herz höher, sobald Zitherklänge ertönen, für andere klingt bereits der Instrumentenname so archaisch, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, in die Vielfalt der Zitherpraxis hineinzuhören. Wieviel einfacher wäre es doch, wenn die Zither von berühmten, produktiven und einflussreichen Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart berücksichtigt worden wäre?
Zwar wird schon in der Bibel von einer Zither gesprochen – beispielsweise im Psalm 92,4 – und Wolfgang Amadeus Mozart hat sogar 1780/1781 eine Arie mit dem Titel „Komm, liebe Zither, komm“ (Köchelverzeichnis KV 351/KV 367 b) komponiert, aber er dachte damals mitnichten an das spätere Saiteninstrument des Wiener Zitherspielers Anton Karas, der 1949 auf einer Solozither den bekannten Soundtrack zum Schwarz-Weiß-Film „Der Dritte Mann“ interpretierte. Diese alpenländische Zither in ihrer heutigen Form und Spielweise existierte zu Mozarts Zeiten schlicht noch nicht. Mozart verwendete den Begriff „Zither“ als Metapher für Volksmusikinstrumente allgemein, also für Musikinstrumente der Unterschicht. Und da kommen wir der Entwicklung unserer Zither schon näher, denn ihr Vorläufer war das Scheitholt, das schon damals als Lumpeninstrument bezeichnet wurde.
Organologisch steht der Begriff Zither für Saiteninstrumente, genau genommen für Instrumente mit einem Resonanzkörper und parallel dazu verlaufenden Saiten. Solche Instrumente finden sich in fast allen Kulturen. Manche sind dabei sehr einfach gehalten mit nur einem Loch im Boden als Resonator und einer Schnur darüber gespannt als klingende Saite. Andere wiederum sind viel komplexer gebaut, wie unsere neuzeitlich europäische Zither, die der Musikwissenschaftler Curt Sachs auch als moderne Gebirgszither bezeichnete. Diese Zither hat zwei Spielbereiche: einen Griffbrettbereich ähnlich der Gitarre und zusätzlich frei schwingende Saiten ähnlich einer Harfe.
Seit der Entwicklung von einer einfachen Zither mit hölzernem Resonanzkasten und wenigen Saiten sowie diatonischen Bünden, die direkt in den Resonanzkasten eingelassen waren, bis hin zu einem voll-chromatischen Instrument mit Griffbrett, dessen Saiten mit einem Daumenring angeschlagen werden, sind noch keine 200 Jahre vergangen. Und doch hat sich in dieser für Musikinstrumente gesehen kurzen Zeitspanne für die Zither viel verändert – sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung. Erst eingebettet in Volksmusik und Volkslied findet bald eine urbanisierte Gesellschaft Gefallen an konzertmäßiger Darbietung von Zithermusik im Salon und im öffentlichen Raum, solistisch und in Gruppen bis hin zu Zitherorchestern.
Mit gleichem Ziel, die Zithermusik zu fördern, soll schließlich das Instrument aus der einseitigen Gruppenidentität als Volksmusikinstrument herausgeholt und zu einem in der allgemeinen Musikwelt und vor allem in der Profiszene vollwertig anerkannten Musikinstrument geführt werden. Hierfür müssen viele Hürden gemeistert und wichtige Etappenziele erreicht werden, wie die Zulassung des Instruments bei anerkannten nationalen Jugendwettbewerben im Klassikbereich wie „Jugend musiziert“ und „prima la musica“, ebenso wie die Etablierung des Instruments in der akademischen Ausbildung.
Für die Zitherspielenden eröffnen sich jetzt neue Musikwelten, endlich darf man in die westlich klassische Musikszene hineinschnuppern. Mit großem Eifer verbessern viele Zitherspielende ihre technischen Fertigkeiten, passen sich dem Klangideal und dem Repertoiregeschmack der dominierenden Klassikbranche an und regen im Zitherbau innovative Weiterentwicklungen an.
Der Preis für diese erfolgreichen Veränderungen ist hoch und unübersehbar: alteingesessene Musizierstile, regionale Besaitungsvariationen und die klangliche Einzigartigkeit von Zitherinstrumenten sowie gewachsenes Spielrepertoire gehen zugunsten der neuen Trends verloren, Altbewährtes wird oft belächelt und denunziert. Doch zunehmend wächst eine neue Sensibilität, die ein großes Potential für ein Zitherrevival enthält, bei dem Bekanntes und Altbewährtes unter neuen Vorzeichen aufgelegt werden kann oder vollkommen Neues entstehen darf. Die Prämisse sollte dabei jedoch immer der einzigartige Klang der Zither sein und – gemäß dem Zitherspieler Hans Gruber – das alles mit gesundem Selbstvertrauen, ohne andere imitieren zu wollen.
Im Volksliedarchiv in St. Pölten wartet wertvolles Notenmaterial für Zither auf seine Wiederentdeckung und in vielen Häusern zeugen Instrumente, Fotos und Noten von der Tradition der Zithermusik in Niederösterreich. Die Volkskultur Niederösterreich widmet diesem wunderbaren Instrument am Samstag, 9. November, einen ganzen Tag mit einer Instrumentenausstellung, Workshops, Vorträgen, einer Musikwerkstatt und einem Abendkonzert begeistert.
Gertrud Huber , PhD, Diplommusikpädagogin